Neue Anwendungen: Rotlichtsensor bei Bakterien
An der Universität Bayreuth wurde der Lichtsensor von Bakterien so modifiziert, das er sensitiver und schneller auf Rotlicht reagiert. Vielfältige Anwendungen in der Biotechnologie von Diagnostik über Therapeutika bis hin zur Optimierung von Produktionsprozessen sind denkbar.
Forscher der Universität Bayreuth haben die Empfindlichkeit von bakteriellen Systemen zur Steuerung der Genaktivität gegenüber Rotlicht verändert und ihre molekulare Antwort auf den Lichtreiz umprogrammiert. Die Ergebnisse eröffnen spannende Möglichkeiten in der biotechnologischen Anwendung von Bakterien.
Bakterien müssen sich ständig an wechselnde äußerliche Signale wie Temperatur, pH-Wert oder Licht anpassen. Auf molekularer Ebene erfolgen diese Anpassungen häufig durch das Hinzufügen oder Abspalten von Phosphatgruppen. Für diese Prozesse ist in vielen Bakterien oftmals ein Zweikomponentensystem, bestehend aus einem lichtempfindlichen Enzym und einem Regulator, zuständig. In manchen Systemen spaltet das Enzym unter Rotlicht Phosphatgruppen vom Regulator ab, bei Dunkelheit fügt das Enzym Phosphatgruppen dem Regulator hinzu. Der Regulator löst in den Bakterien dann weitere molekulare Prozesse aus wie eine Veränderung der Genaktivität, was zur Produktion nahezu beliebiger Proteine genutzt werden kann. Als eine Komponente kontrollieren Sensor-Histidin-Kinasen (SHK) die Phosphorylierung der zweiten Komponente, des Response Regulator (RR). Nachgeschaltete Reaktionen hängen von der RR-Phosphorylierung ab und können sehr schnell und empfindlich sein, da SHKs in der Regel sowohl Kinase- als auch Phosphatase-Aktivität ausüben. Forscher der Universität Bayreuth haben ein solches bakterielles Zweikomponentensystem modifiziert und damit gezeigt, dass bakterielle Systeme gezielt in ihrer physiologischen Antwort auf externe Reize umprogrammiert werden können. Die Publikation ist kürzlich in Nature Communications erschienen.
Für ihr Modellsystem haben Stefanie Meier, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Photobiochemie, und Prof. Dr. Andreas Möglich, Leiter der Arbeitsgruppe, die lichtempfindliche Einheit des Zweikomponentensystems gegen eine andere ausgetauscht. Dadurch wurde das Zweikomponentensystem zehnmal empfindlicher gegenüber Rotlicht als die ursprüngliche Variante. Den Grund für die höhere Lichtempfindlichkeit fanden die Autoren in der veränderten Aktivität bezüglich der Phosphatgruppen: Beim modifizierten Zweikomponentensystem wurden im Vergleich zum ursprünglichen System unter Rotlicht die Phosphatgruppen schneller abgespalten. Das bedeutet, dass bereits bei geringen Rotlichtintensitäten das System inaktiviert wird. Zudem veränderten die Forschenden die Länge der Verbindung (des „Linkers“) zwischen der lichtempfindlichen Einheit und dem restlichen Enzym. Sie stellten fest, dass die Systeme mit modifizierten Linkern gegensätzliche Eigenschaften in der Lichtregulierung und Signalantwort auf genetischer Ebene zu den ursprünglichen Systemen aufweisen.
In den Augen der Forschenden dienen die so entstandenen Varianten mit erhöhter Empfindlichkeit und umprogrammierter Aktivität als neuartige Instrumente für Anwendungen in der synthetischen Biologie und Biotechnologie. „Die an diesem Modellsystem hervorgebrachten Ergebnisse haben generelle Relevanz für unzählige Systeme dieser Art, die unter anderem wichtige bakterielle Antworten wie Entwicklung, Bewegung und Infektiosität regulieren. Zudem erstellen wir unmittelbar in der Biotechnologie einsetzbare Systeme, die erlauben, die Produktion beliebiger Proteine durch Rotlicht zu aktivieren“, sagt Möglich. Perspektivisch ist ein Ansatz denkbar, bei dem Bakterien im Körper an die richtigen Stellen geschleust werden, damit sie dort nach Aktivierung zielgenau Wirkstoffe freisetzen oder Proteine produzieren. Um Bakterien auf diese Weise einsetzen zu können, bietet sich eine gezielte Aktivierung durch Rotlicht an, welches lebendes Gewebe durchdringen kann.
Die Studie wurde in Kooperation mit der Universität in Jyväskylä, Finnland, durchgeführt. Gefördert wurde sie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie dem EU-Projekt FET Open NEUROPA, die sich unter Horizon 2020 den „Future Emerging Technologies“ gewidmet haben.